Mittwoch, 21. August 2013

Versandhaus Kontokorrent Agentur

Vom ehemaligen Inhaber unserer örtlichen Versandhaus-Agentur war ich mit einer Forderungsabwehr wegen angeblicher Defizite befasst.

Das inzwischen insolvente Großversandhaus mit über 7000 Agenturen bundesweit ging und geht wohl auch jetzt noch gegen eine Vielzahl seiner ehemaligen Shop-Agenten immer wieder mit der Behauptung vor, sie seien für Kassendefizite nach entsprechenden Agentur-Revisionen  haftbar, es bestehe ein offener Kontokorrentsaldo.
Die Verzweiflung der Shop-Agenten, zumeist unbedarfte Scheinselbständige ohne grundlegende kaufmännische Ausbildung, die mangels Backgrounds für die ihnen vorgerechneten Defizite keine Erklärung hatten, wurde schamlos ausgenutzt. Viele wurden mithilfe sogenannter Revisoren in den Ruin getrieben. Der Verlust des Eigenheims, zerbrochene Ehen, Selbstmordversuche aus schamvoller Verzweiflung waren die Folge.

Dass die Agentur-Inhaberinnen keine Erklärung für ihre Defizite hatten, lag schlicht und einfach darin begründet, dass es sich nicht um "ihre" Berechnungen handelte, sondern um intransparente ihnen vorgelegte Zahlenwerke eines Zentralrechners, bei denen in den von mir betreuten Fällen Fehler nachgewiesen werden konnten, für die am Ende umgekehrt der Insolvenzverwalter keine Erklärung hatte. Wahrscheinlich alle oder nahezu alle je zugunsten des heute insolventen Versandhauses getroffenen Entscheidungen gegen die ehrlichen Shop-Agenten waren falsch. Die falsche Anwendung des Beibringungsgrundsatzes, die Shop-Agenten mögen erklären, sind aber nicht imstande beizubringen, warum die Defizite nicht von ihnen verursacht sind, war Folge des irrtümlich angenommenen Kontokorrentverhältnisses, welches bei näherer Betrachtung auf jeden Fall zu verneinen war.

Falsch waren die von den Versandhaus-Revisoren vorgelegten Revisionsberechnungen. Falsch waren die mündlich immer und immer wieder eingetrichtert bekommenen Hinweise auf ein bestehendes Kontokorrentverhältnis, welches hier und da sogar gerichtlich bejaht, soweit ersichtlich aber niemals rechtlich auf Herz und Nieren geprüft wurde.

Ohne Anspruch wurden viele Versandhaus-Agentur-Inhaberinnen, die ja keine Erklärung für die Defizite der zentralen Berechnungen hatten, dann gedrängt, Schuldanerkenntnisse zu zeichnen, Grundvermögen mit Hypotheken und Grundschulden  zu belasten, und somit Ansprüche aus dem Nichts für von Laien undurchschaubar falsche Zahlenwerke zu erschaffen und dafür Sicherheiten zu geben. Bei filigraner Betrachtung lag alldem nichts zu Grunde, insbesondere keine Unregelmäßigkeiten und schon gar kein Kontokorrentverhältnis.

In zwei Prozessen konnte ich darlegen, dass die vom ehemaligen Versandhaus hochgelobten EDV-Berechnungen 1) intransparent waren, 2) regelmäßig Buchungen vermissen ließen,  die die behaupteten angeblichen Defizitsalden anwachsen ließen, 3) nicht auf Richtigkeit und Vollständigkeit anhand der in den Kontoauszügen nicht vorhandenen Buchungen geprüft werden konnten.
In den Prozessen  wurde dargelegt und durch Urteil jeweils bestätigt, 1) dass das Rechtsverhältnis eines Shop-Betreibers zum Versandhaus kein Kontokorrentverhältnis darstellte, 2) dass eine in Abrede gestellte Fehlerhaftigkeit der zentralen Buchhaltung offensichtlich gegeben war.

Alle ehemals Beteiligten, die an diesen Vorgängen mitverdient haben, sollten sich in Grund und Boden schämen. Ich kann nicht davon ausgehen, dass Insider das, was ich herausgefunden habe, nicht gewusst haben. Sie waren meines Erachtens Komplizen eines korrupten Systems. Um so mehr gilt heute der Dank den Landgerichten Essen und Münster, die unabhängig voneinander übereinstimmend begründet haben, dass und warum ein Kontokorrentverhältnis niemals bestanden hat.

Herzlichen Dank an das Landgericht Münster 2013 (8.605,32 €).
http://www.ra-wigger.de/archiv/2013/Q-LGMuenster,4-O-327-2011,Uv-04-07-2013.pdf
Herzlichen Dank an das Landgericht Essen 2013.
http://www.ra-wigger.de/archiv/2013/Q-LGEssen,3-O-5-2012,HinweisBv-17-01-2013.pdf
http://www.ra-wigger.de/archiv/2013/Q-LGEssen,3-O-5-2012,Uv-18-04-2013.pdf
Herzlichen Dank auch an das Landgericht Potsdam 2005.
http://www.ra-wigger.de/archiv/2013/Q-LGPotsdam,51-O-135-2005,Uv-08-12-2005.pdf
Herzlichen Dank auch an das Landgericht Goettingen 1999.
http://www.ra-wigger.de/archiv/2013/Q-LGGoettingen,8-O-416-1998,Uv-15-06-1999.pdf
Herzlichen Dank auch an das Oberlandesgericht Düsseldorf 1994.
http://www.ra-wigger.de/archiv/2013/Q-OLGDdorf,16-W-26-1994,Bv-16-09-1994.pdf

Zinsberechnung nach Act-act-Methode

Forderungsaufstellung und Zinsberechnungsmethode

Wie sind Zinsen in einer Forderungsaufstellung gemäß §§ 366, 367 BGB zu berechnen?
... nach kaufmännischer Methode (360 Tage/Jahr)?,
... nach juristischer Methode (365 Tage/Jahr)?
Was ist richtig?

Die ehrlichste hinzunehmende, juristisch nicht angreifbare Variante ist die Act-act-Methode, die 365 Tage im Normaljahr und 366 Tage im Schaltjahr sowohl für den Zähler als auch für den Nenner bereit hält. Dass Banken, Kassen, Versicherungen und Kaufleute nach Vereinfachung rufen und im Nenner gerne die kaufmännischen 360stel vorschieben, nenne ich (geduldeten) Betrug.

Dass bei der Act-act-Methode in Schaltjahren 366 Tage berechnet werden und der Zins konsequenterweise mit 365,25 zu berechnen wäre, ist genau richtig. Bemerkt wird dies erst bei Zeiträumen, die den Schalttag einschließen. Als relevant sehe ich dies bereits grundsätzlich an. Alles andere ist eigentlich Verdummung.
Wenn ich aktuell kein Schaltjahr tangiere, sind die 365,25 nicht falsch. 1 Tag im Normalkalenderjahr sind 1/365, im Schaltjahr 1/366, in acht Jahren 1/2922. Aber Banken, Kassen, Versicherer und Kaufleute setzen alles daran, zur kaufmännischen Methode heimzukehren, weil dabei mehr übrig bleibt.

365,25 ist ja nur das Ergebnis des seit 1582 gültigen Gregorianischen Kalenders, der den Julianischen abgelöst hat. Der Julianische Kalender wurde mit 365,25 Tagen berechnet. Darum hat sich Mutter Erde aber nicht gekümmert, was schon 1582 zu der Feststellung führte, dass Frühlingsanfang nicht mehr der 21., sondern bereits der 11. März war. Erst durch die Einführung des Gregorianischen Kalenders, der immer noch ungenau ist, wurde unsere Schalttagkorrektur eingeführt, bedeutet: alle 4 Jahre ein Schalttag, alle 100 Jahre kein Schalttag, alle 400 Jahre doch wieder Schalttag. Wir werden den nächsten (ausfallenden) Jahrhundertschalttag schon nicht mehr erleben. Nimmt man es noch genauer, müssten 365,25 eigentlich 365,2425 sein.

Kurzum: Fraglich ist also lediglich, mit welchem Quotienten man richtig rechnet.
360/360, korrekt. Beweis: 1.000 € x 10 % x 360/360 = 100,00 €.
365/360, kfm Betrug um 1,39 %. Beweis: 1.000 € x 10 % X 365/360 = 101,39 €.
366/360, kfm Betrug um 1,67 % im Schaltjahr. 1.000 € x 10 % x 366/360 = 101,67 €.
360/365, kfm Irrtum (gibts nicht, bei keinem "Gelddienstleister")
360/366, kfm Irrtum (gibts nicht, bei keinem "Gelddienstleister")
365/365, korrekt bis 4 Jahre, etwas unkorrekt über 4 Jahre
366/365, etwas unkorrekt
365/365,25 korrekt und wird nirgends anecken in den nächsten 2.500 Jahren
366/365,25 korrekt und wird nirgends anecken in den nächsten 2.500 Jahren

Der Betrug von 1,39 % bzw 1,67 % wird fast nie bemerkt, weil die Zinsberechnungen intransparent gehalten werden. Was nützt mir die Angabe "Dispozins 9,5 %" wenn nicht gleichzeitig die weiteren Marginalien offengelegt werden. Wer beispielsweise am 31.05.2011 einen Kontostand von -3.565,58 € bei einem Dispositionskredit von 9,5 % und aufgrund von Zahlungseingängen und -ausgängen ständig wechselnde Salden mit einem Endsaldo von -3.250,98 € am 30.06.2011 hatte, wird eine Berechnung seiner Kreditgeberin aufgrund fehlender Transparenz der Berechnungsmethode nicht nachvollziehen können, obwohl man wechselnde Kontostände selbstverständlich auf ihre Richtigkeit überprüfen könnte. Das wäre nur sehr sehr aufwändig, und im Kontokorrent, welches ja eine Zinseszinsverzinsung erlaubt, noch viel aufwändiger. Statt 9,5 % zahlt man vielleicht 10,89% oder sogar 11,17 %.

Die Berechnung nach Act-act-Methode sollte gesetzlich verankert sein, damit nicht auch noch irgendwelche Halbwissensvertreter der Auffassung sein dürfen, dass kaufmännische Berechnungen doch Jahrhunderte lang anerkannt ist. Die Katastrophen von heute wurzeln in der Vergangenheit.